FAQ – No-Billag

Was ist die No-Billag-Initiative?
Schweizer StimmbürgerInnen können am 4. März 2018 über die Volksinitative „Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren (Abschaffung der Billag-Gebühren)“ abstimmen. Diese Initiative verlangt, dass keine Radio- und Fernsehgebühren mehr eingezogen werden dürfen. Sie heisst so, weil die Inkasso-Stelle, welche bis anhin für die Erhebung der Empfangsgebühren zuständig war, die BILLAG AG ist. Ausserdem will die Initiative sämtlichen gebührenfinanzierten Radio- und Fernsehstationen die Konzession (Sendelizenz) entziehen. Konzessionen sollen künftig versteigert werden.

Was sind Radio- und Fernsehgebühren und wozu werden sie erhoben?
Jeder Haushalt im Besitze eines Empfangsgeräts (Radios, TV, Computer, Smartphone) bezahlt eine Gebühr von 165 Franken für Radio, 286.10 Franken für Fernsehen oder 451.10 Franken für beides (ab 2019: 365 Franken). Bei kommerzieller Nutzung durch Unternehmen ist die Anzahl Geräte massgebend (ab 2019 müssen im Gegensatz zu heute nur noch grosse Betriebe mit einem Umsatz von über 500’000 Franken die Gebühr bezahlen – die meisten KMU werden von der Gebühr befreit).
Mit den Radio- und Fernsehgebühren werden die öffentlich-rechtlichen Programme der SRG in allen vier Landessprachen zu 75% finanziert (die restlichen 25% durch Werbung). Daneben erbringen 21 Lokalradios und 13 Lokalfernsehstationen gebührenfinanzierte Leistungsaufträge. Die Leistungsaufträge verpflichten diese Radios und Fernsehstationen zur Information in ihrem Konzessionsgebiet.

Wurde die Billag AG nicht bereits abgeschafft und warum werden die Gebühren nicht einfach über die Steuern finanziert?
Nach einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren hat das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) im März 2017 das Mandat zur Erhebung Gebühren der Serafe AG statt der Billag AG erteilt. Ab 1. Januar 2019 wird diese für diese Aufgabe zuständig sein. Gleichzeitig kommt es zu einem Systemwechsel: Die Daten, die für die Erhebung der Haushaltabgabe nötig sind, stammen neu aus den Einwohnerregistern und werden von den Kantonen und Gemeinden geliefert. Dieses neue Abgabesystem ist wesentlich einfacher, fallen doch verschiedene Aufgaben wie Aussendienst, Kontrollen und An-/Abmeldungen weg. Ein Besuch zu Hause von Mitarbeitenden, welche die Gebühren an der Türe eintreiben wollen, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Auch sinken ab 1. Januar 2019 die Gebühren auf 365 Franken pro Jahr. Dies hat der Bundesrat am 18. Oktober 2017 entschieden.
Das System der Haushaltabgabe wurde 2015 breit debattiert und in einer Referendumsabstimmung vom Volk gutgeheissen. Um eine möglichst hohe Unabhängigkeit der gebührenfinanzierten Sender zu erhalten, wird das Inkasso weiterhin über eine externe Firma betrieben. Bei einer Steuer wäre die Gefahr gross, dass die Politik versuchen könnte, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen, weil sie ja über die Verwendung von Steuern bestimmt.

Welche Stationen wären von einem Ja zur No-Billag-Initiative betroffen?
Ihren Betrieb einstellen oder massiv umstrukturieren müssten neben der SRG mit ihren Sendern SRF (deutsch), RTS (französisch), RSI (italienisch), RTR (rumantsch) und SWI (Schweizer Nachrichten in 10 Sprachen). Betroffen wären zudem 21 Lokalradios: Radio BeO, BNJ FM, Radio Canal 3, Radio Chablais, Radio Fiume Ticino, Radio Fribourg, Radio Munot, Radio Neo 1, Radio R3i, Radio Rhône FM, Radio Rottu Oberwallis, Radio Südostschweiz, Radio 3fach, Radio Cité, Radio Kanal K, Radio LoRa, Radio RaBe, Radio RaSa, Radio Stadtfilter, toxic.fm und Radio X. Ebenfalls betroffen wären 13 regionale Fernsehsender: Canal9/Kanal 9, Canal Alpha, la téle, Léman bleu, TV Südostschweiz, Tele 1, Tele M1, TVO, Tele Top, TeleBärn, TeleBasel, TeleBielingue, TeleTicino.

Was würde ein Ja zur No-Billag-Initiative für die ganze Bevölkerung bedeuten?
Die Konsequenzen für Radio und Fernsehen wären unterschiedlich. Im Fernsehen werden bereits heute mehrheitlich ausländische Programme geschaut. Dieser Anteil dürfte weiter ansteigen. Einzig in grossen Deutschschweizer Städten ist denkbar, das kommerzielle finanzierte TV-Programm mit selbsterzeugten Sendeinhalten weiterhin bestehen würden. Im Radio ist zu erwarten, dass die heute bekannten Formatradios weiterhin bestehen würden, ohne jedoch einen besonderen Beitrag zur Information und zur politischen, kulturellen oder gesellschaftlichen Vielfalt und Integration der Schweiz leisten zu müssen. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass wegen dem zunehmenden Kampf um die abnehmenden Werbegelder auch viele werbefinanzierte Radiostationen verschwinden werden.

Wer profitiert von einer Annahme der Initiative?
Finanziell profitieren vor allem die ausländischen Privatfernsehsender mit Schweizer Werbefenstern. Pay-TV-Anbieter können auf auf mehr Abonnenten und die wenigen werbefinanzierten Schweizer TV-Programme auf eine Steigerung der Werbeeinnahmen hoffen.
Indirekt profitieren Interessenkreise, welche dazu in der Lage sind, aus eigenen Mitteln Radio- und Fernsehprogramme zu finanzieren. Das grosse Geld beziehungsweise Menschen, welche darüber verfügen, wären die Gewinner bei einem Ja zur No-Billag-Initiative. Da sich dann alle Sender in erster Linie durch Reklame finanzieren müssten, wäre die PR-Branche erfreut über einen grösseren Einfluss.

Wer bekommt künftig Radio- und Fernsehkonzessionen?
Zum Ausstrahlen eines Radio- und Fernsehprogramms braucht es heute grundsätzlich keine Konzession. Einzig zum Ausstrahlen eines Radioprogramms auf UKW ist zur Zeit noch eine Konzession nötig. Die UKW-Versorgung wird jedoch in wenigen Jahren vollständig auf DAB+ umgestellt, wo keine Konzessionen mehr notwendig sind. Dessen ungeachtet verlangt die No-Billag-Initiative, dass künftig Konzessionen versteigert werden. Es ist zum heutigen Zeitpunkt unklar, ob dies bedeuten würde, dass die Liberalisierung rückgängig gemacht wird und dass wieder Konzessionen notwendig wären. Falls ja, dann ist klar, dass starke Player wie zum Beispiel internationale Medienkonzerne, ausländische Regierungen oder zahlungskräftige Schweizer Interessengruppen bei einer Versteigerung die besten Chancen hätten.
Die meisten werbefinanzierten Radiostationen lehnen die No-Billag-Initiative ebenfalls ab, weil sie befürchten, dass auch ihre Konzessionen längerfristig gefährdet wären.

Was hat das gebührenfinanzierte Radio und Fernsehen mit nationaler Solidarität zu tun?
Der heutige Service public schliesst die Bevölkerung in allen Landesteilen ein. Die Schweizer Solidarität zugunsten des nationalen Zusammenhalts funktioniert: Über 70% der SRG-Einnahmen kommen aus der Deutschschweiz, aber nur 43% werden für die Angebote in deutscher Sprache eingesetzt. Die Differenz dient der Mitfinanzierung eines guten Radios und Fernsehens in den drei kleineren Landesteilen. Die französisch-, italienisch- und rätoromanischsprachige Schweiz hat dank dem Service public der SRG Zugang zu einer umfassenden, ausgewogenen und unabhängigen Berichterstattung. Zudem erhalten Menschen mit Einschränkungen Spezialangebote: Für Sehbehinderte gibt es Filme mit Audiodeskriptionen, für Hörbehinderte Nachrichten in Gebährdensprache.
Ausserdem bieten die komplementären Radios verschiedenen Minderheiten die Möglichkeit, eigene Sendungen zu produzieren. Dank den Gebührengeldern können die freiwilligen Sendungsmachenden geschult und betreut werden. Ohne diese Leistungsaufträge müssten die meisten komplementären Radios ihren Betrieb einstellen.

Wer wäre ausser den Medien sonst noch von einem Ja zu No-Billag betroffen?
Die SRG investiert jährlich etwa 30 Millionen Franken in die Produktion von Schweizer Filmen und Serien. Das ist mehr als das Bundesamt für Kultur und regionale Förderstellen dafür vergeben. Würden die SRG-Gebühren wegfallen, wären zahlreiche Serien , Spiel- und Dokumentarfilme nicht mehr finanzierbar.
Zusätzlich profitieren viele private Unternehmen von Aufträgen, z.B. Grafiker, Kameraleute, Technikerinnen, Gastro- oder Transportunternehmungen. Wenn die Gebühren abgeschafft werden, würden über 10’000 Stellen verloren gehen. Insbesondere für ältere Arbeitnehmende dürfte es schwierig werden, wieder einen Job zu finden. Die Zerstörung einer ganzen Branche innerhalb weniger Monate dürfte die sozialen Kassen enorm belasten.

Gibt es nach einem Ja zu No-Billag noch Sportsendungen?
Sportübertragungen sind aufwändig in der Produktion und verursachen sehr hohe Infrastrukturkosten. Im Durchschnitt decken kommerzielle Einnahmen wie Werbung oder Sponsoring nur 13,1 Prozent der Gesamtkosten für Rechte, Produktion und Umsetzung – für reine Schweizer Produktionen (wie zum Beispiel die Tour de Suisse) liegt der Wert noch tiefer. Randsportarten, die heute von gebührenfinanzierten Sendern berücksichtigt werden, hätten kaum mehr eine Chance auf mediale Aufmerksamkeit, weil sie für Werbung und Sponsoring uninteressant sind. Nur populäre Sportarten wie Skifahren, Fussball, Tennis und Eishockey gäbe es noch zu sehen – jedoch: Ohne Gebühren müssten Sportfans die Skirennen wohl auf dem (gebührenfinanzierten!) österreichischen Sender schauen und für Fussball-Länderspiele der Schweizer Nationalmannschaft ein teures Sportpaket bei einem Pay-TV-Anbieter kaufen. Schon jetzt sind zahlreiche Sportangebote nur noch via Pay-TV empfangbar. Hockeyfans können ihre Spiele nur noch gegen Bezahlung beim Kabelbetreiber UPC anschauen – übrigens gehört UPC zum amerikanischen Kabelkonzern Liberty Global, d.h. die Profite bleiben nicht in der lokalen Wirtschaft, sondern fliessen zu InvestorInnen am anderen Ende der Welt.

Was würde ein Ja zu No-Billag für die Regionen bedeuten?
Die bisherige Medienordnung weist den Programmen der SRG die Sprachregionen zu und den Privaten die lokale Berichterstattung. Solange für Radio- und Fernsehprogramme keine Konzessionen notwendig sind, werden sie dort entstehen oder weiterbestehen, wo sie lukrativ sind. Randregionen würden kaum noch berücksichtigt. Die Berichterstattung würde viel stärker zentralisiert. Heute berichten Radio und Fernsehen aufgrund der Leistungsaufträge vertieft über lokale Ereignisse, zum Beispiel bei kantonalen Wahlen.

Aber verspricht das Ende der Billag nicht auch mehr Medienvielfalt, da die SRG zurzeit ein quasi-Monopol inne hat?
Im Gegensatz zu Programmen ohne Leistungsauftrag ist die SRG zur Meinungsvielfalt verpflichtet. Obschon davon ausgegangen werden kann, dass die Fernsehwerbeeinnahmen der SRG künftig anderen Akteuren zufliessen würden, besteht keinerlei Garantie daür, dass sie dafür einen Beitrag zur Medienvielfalt leisten. Im Radiobereich erzielt die SRG keine Werbeeinnahmen und des gibt zahlreiche private Programme. Von einer Monopolstellung kann keine Rede sein. In der Schweiz ist ein starke Medienkonzentration im Gang: Die meisten tagesaktuellen Medien sind im Besitz einer Handvoll Medienkonzerne. Mit dem Wegfallen der Leistungsaufträge der SRG und der lokalen Progamme würde der Konzentrationsprozess beschleunigt und der Eintritt für ausländische Akteure erleichtert.

Warum gefährdet die No-Billag-Initiative die Pressefreiheit in der Schweiz – es geht doch nur um Radio und Fernsehen?
Die Pressefreiheit wird umgangssprachlich für alle Medien benutzt, also nicht nur für gedruckte, sondern auch für elektronische Medien. Die Urheber der No-Billag-Initiative wollen die Medienlandschaft komplett dem Markt überlassen. Das schränkt die Freiheit der Medien ein, weil sie dann in ihrer Berichterstattung immer auf ihre Geldgeber – aus der Politik oder der Wirtschaft – Rücksicht nehmen müssen. Pressefreiheit ist nur dann vorhanden, wenn Medien unabhängig von Staat und Wirtschaft berichten können. Das geschieht bei den gebührenfinanzierten Medien, weil ihnen der Staat nicht ins Programm reinredet.

Guter Journalismus ist auch ohne Gebühren möglich – das beweisen die Zeitungen, oder?
Das stimmt. Allerdings ist es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, guten Journalismus nur über Werbung und Abonnemente zu finanzieren. Einerseits hat sich dank Internet und Gratiszeitungen eine Gratiskultur entwickelt. Immer weniger Menschen sind bereit für fundierte Informationen zu zahlen. Andererseits fliessen immer weniger Werbegelder in die lokalen Verlage, sondern sie fliessen in die grossen Internetkonzerne ins Silicon Valley USA. Schweizer Medien bauen laufend Stellen im Journalismus ab. Sogar die lange unumstrittene einzige Schweizer Nachrichtenagentur SDA muss fast drei Viertel ihrer Stellen abbauen. Die Verlage sind nicht dazu verpflichtet, in guten Journalismus zu investieren, die gebührenfinanzierten Medien jedoch schon!

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