Die wichtigsten Gründe für ein NEIN zur No-Billag-Initiative

Am 4. März 2018 wird in der Schweiz über die Initiative «JA zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren» (No-Billag) abgestimmt. Sie verankert ein Subventionsverbot für Radio und Fernsehen in der Verfassung. Wird sie angenommen, verlieren die Sender der SRG und 34 private regionale Radio- und Fernsehsender ihre wichtigste Einnahmequelle. Ohne Gebührenanteile stünden sie vor dem finanziellen Aus, denn nur mit Werbung alleine lassen sich die meisten Programme nicht finanzieren. Das wiederum hätte fatale Folgen für viele Kulturschaffende, KMU, Sportvereine und -verbände sowie für zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen, die heute dank den gebührenfinanzierten Medien eine wichtige Plattform haben. Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft sagen deshalb «NEIN zur No-Billag-Initiative».

Vielfältiges und unabhängiges Medienschaffen ist Service Public

22 Lokalradios, 13 Lokalfernsehstationen sowie sämtliche Radio- und Fernsehkanäle der SRG erhalten heute Anteile der Radio- und Fernsehgebühren. Sie erfüllen dafür sogenannte Service Public Leistungen: sie übernehmen die journalistische Berichterstattung über lokale, nationale und internationale Ereignisse und informieren in den vier Landessprachen. Sie berichten unabhängig und bei Unstimmigkeiten kann jede Person kostenlos Beschwerde einreichen. Die zuständige Bundesbehörde BAKOM nimmt keinen Einfluss auf die Inhalte, kontrolliert jedoch regelmässig die Qualität. Ohne Gebührenanteile könnten diese Programmleistungen nicht mehr erbracht werden. Bei einem JA zu No-Billag wäre kein Medium mehr verpflichtet, ausgewogen und unabhängig über Ereignisse zu informieren, stattdessen stünden elektronische Medien unter dem Zwang des Marktes.

Der Markt erbringt nicht alle Leistungen

Radio und Fernsehen wurden in den letzten Jahrzehnten schrittweise liberalisiert, die früher notwendigen Konzessionen wurden weitgehend abgeschafft. Über 150 Fernsehprogramme und über 100 Radioprogramme in der Schweiz werden ohne Konzession ausgestrahlt. Ihr Beitrag zur Medienvielfalt der Schweiz ist jedoch bescheiden, nur einzelne erbringen eine Leistung, welche mit jener von konzessionierten Programmen vergleichbar ist. Es ist offenkundig, dass die Liberalisierung zwar die Anzahl der Programme, nicht aber die Menge an journalistischen Angeboten erhöht. Privates Fernsehen ohne gebührenfinanzierte Leistungsaufträge gibt es nur in der Deutschschweiz. Rein kommerziell finanzierte Radios gibt es nur in den wirtschaftsstarken Ballungsräumen. Ihr Programm orientiert sich zu einem grossen Teil an den Einschaltquoten.

Die Folgen auf lokaler und regionaler Ebene

Die bestehende Radio- und Fernsehpolitik zielt darauf ab, in allen Landessprachen und in allen Region nicht nur sprachregionale, sondern auch Programme mit lokaler Berichterstattung sicherzustellen. Die Gebühreneinnahmen werden entsprechend auf die Deutschschweiz, die Romandie, die italienischsprachigen und – zu einem kleinen Teil – die rätoromanischen Gebiete verteilt. Regionalsender geben der lokalen Kultur, der Gesellschaft und der Politik einen Platz.
Gebührenfinanzierte Medien übertragen regelmässig direkt von lokalen Wahlen und berichten über regionale Abstimmungen, auch wenn damit keine hohen Einschaltquoten erreicht werden. In urbanen Regionen bestehen als zusätzliches Angebot komplementäre Radioprogramme, die zum Teil in über zwanzig Sprachen senden und die Themen von zahllosen Gruppen und Minderheiten in der Bevölkerung aufgreifen. Zusammen mit den Spartenprogrammen der SRG sind diese eine wichtige Plattform gerade für junge und lokale Kultur.

Mehr als Radio und Fernsehen

Radio und Fernsehen in der Schweiz ist das Resultat von Jahrzehnten der Entwicklung. Über 10’000 Personen arbeiten direkt oder indirekt für gebührenfinanzierte Leistungsaufträge in Radio und Fernsehen. Das Fernsehen spielt eine wichtige Rolle bei der Schweizer Filmförderung, bei der Promotion von Sportanlässen und hat einen Anteil am Zustandekommen zahlloser kultureller Anlässe. Die Radios bieten unbekannter Schweizer Musik eine Plattform, sind wichtige Medienpartner von grossen und kleinen Musik- und Filmfestivals und anderen Veranstaltungen. Ein Fünftel der Gelder, mit denen Komponisten und Interpretinnen für die Verwendung ihrer Werke entschädigt werden, stammt in der Schweiz aus gebührenfinanzierten Programmen. Diese und viele weitere Abgeltungen werden bei der Annahme der No-Billag-Initiative entfallen.
Neben Kulturschaffenden würden auch viele lokale KMU geschädigt, die heute von Aufträgen aus der elektronischen Medienbranche profitieren. Menschen mit Hör- oder Sehbehinderungen müssten auf speziell für sie produzierte Programme verzichten. Eine weitere Verliererin der No-Billag-Initiative wäre die Bildung. Heute sind zum Beispiel die unabhängigen Radiostationen und ihre Radioschule Klipp & Klang wichtige Ausbildungsstätten für Medienschaffende. Nur mit dem Leistungsauftrag kann dies gewährleistet werden: nur unabhängig funktionierende Medien können unabhängige Journalistinnen und Journalisten ausbilden.

Noch mehr Medienkonzentration

Der Schweizer Medienmarkt durchläuft eine starke Konsolidierung. In der Presse ist es bereits heute eine Handvoll Verlagshäuser, welche den Markt unter sich aufteilen. Bei Radio und Fernsehen konnte dies bislang verhindert werden, es gibt zahlreiche kleinere und unabhängige Programme. Wenn die Möglichkeit der Lenkung durch Leistungsaufträge wegfällt, wird dieser Prozess bei Radio und Fernsehen sehr rasch zu einer ähnlichen Konzentration wie bei der Presse führen. Im Fernsehen werden bereits heute mehrheitlich ausländische Programme geschaut. Wenn der Service Public der Schweiz abgeschafft wird, werden vor allem die ausländischen Programme die Lücke füllen. Es entsteht kein neuer Markt, da Pay-TV, werbe- und sponsoringfinanzierte Radio- und Fernsehprogramme schon heute ohne Einschränkungen möglich sind und auch angeboten werden.

Demokratische Meinungsbildung braucht kritischen Journalismus und Plattformen

Demokratie funktioniert nur, wenn Zustände recherchiert, Themen debattiert, Lösungen hinterfragt und die Meinungen in ihrer Vielfalt zum Ausdruck gebracht werden. Radio und Fernsehen spielen in diesem Prozess eine wichtige Rolle. In den kleinen sprachregionalen Märkten der Schweiz kann eine hinreichende journalistische Leistung ohne Leistungsaufträge nicht finanziert werden. Die rein werbefinanzierten Medien laufen zudem Gefahr, bei kritischer Berichterstattung wirtschaftlich unter Druck zu geraten.
Wohlhabende politische und wirtschaftliche Interessensgruppen können sich mit Geld viel Raum in den Medien kaufen. Zudem werden mit der Annahme der No-Billag-Initiative die Unabhängigen Beschwerdeinstanzen abgeschafft. Wer künftig Anstoss an einer Sendung nimmt, muss sich einen teuren Anwalt oder eine Anwältin nehmen, um eine Richtigstellung zu erreichen.

Das Anliegen der No-Billag-Initiative ist zwar nicht völlig unverständlich. Die Billag-Gebühren machen heute für manche Menschen keinen Sinn mehr. Viele haben das Gefühl, die SRG erhalte zu hohe Gebührengelder. Ausserdem besteht die Meinung, dass Radio- und Fernsehgebühren in der digitalisierten Medienwelt ein alter Zopf seien. Und wenn Radio- oder Fernsehprogramm von der Allgemeinheit finanziert werden sollen, dann nicht mit einer Haushaltgebühr, sondern aus allgemeinen Steuermitteln. Doch mit einem JA zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren würden Missstände nicht behoben, sondern dramatisch vergrössert. Die Diskussion darüber, welche Leistungen notwendig sind, vom freien Markt nicht erbracht werden und deshalb durch finanzierte Leistungsaufträge gesichert werden müssen, ist wichtig und wird unablässig geführt. Das Radio- und Fernsehgesetz ist eines der Gesetze, die häufig revidiert werden, um dem raschen Wandel gerecht zu werden. Eine Annahme der No-Billag-Initiative würde künftige Reformen verhindern, weil jede Möglichkeit genommen wird, lenkend einzugreifen.

Deshalb am 4. März 2018: NEIN zu No-Billag!

Kommentare sind geschlossen.